Alles Yoga oder was? -2-

Teil 2 von 3

Hypopressiv-Techniken sind doch nur ein Ausschnitt aus der typischen Yoga-Praxis, sagen einige. Das ist doch der Übungs-Teil, wo immer ganz spezielle Haltungen eingenommen werden und dann der Bauch nach innen einwölbt und man im Gesicht ganz konzentriert aussieht. Irgendwie wirkt das alles befremdlich bis spektakulär. Was soll das überhaupt? Und macht es wirklich Sinn, sich ein Element aus dem Yoga herauszufischen und daraus dann eine komplett neue Trainings- und Therapieform zu konzipieren?

 

Die Bandhas im Yoga

Bereits das traditionelle indische Yoga kennt die energetischen Verschluss-Techniken, die bandhas. Seit jeher waren sie mit den klassischen Handstellungen (mudras) und Atemtechniken (pranayama) verbunden.

 

Über Gesten, Ganz-Körperpositionierung nach bestimmter Anordnung und bewusster Atem-Lenkung geht es in den meisten Yoga-Traditionen um das Wahren und Steigern unserer Lebensenergie.

Sehr vereinfacht dargestellt, sorgen bandhas für den kurzzeitigen Block und die gezielte Umlenkung des Energiestromes in bestimmten Körperpartien. Durch die physische bandha-Aktion wird unser Lebenskraft-Strom auf feinstofflicher Ebene kanalisiert und so dirigiert, dass uns keine Energie verloren geht und wir auf körperlicher, seelischer, mentaler und spiritueller Ebene gesund, vital und klar bleiben bzw. wieder werden können.

Bandhas können die physische Yoga-Praxis unterstützen, indem Posen intensiviert oder länger gehalten werden können und werden z.B. für mehr Stabilität aber auch zur Verdauungs- und Entgiftungsförderung eingesetzt.

 

Die drei Haupt-bandhas dienen im Yoga auch der Konzentration, der inneren Sammlung und somit der Vorbereitung auf eine Meditation.

Diese drei Haupt-Verschlüsse sind entlang der Wirbelsäule angesiedelt:

 

1. mula bandha - Wurzel-Verschluss

Der Lebensenergie entsprechend aufsteigend vom unteren Ende der Wirbelsäule, am Steißbein oder mehr im yogischen Terminus> am Wurzel-Chakra, wird erst eine Beckenboden-Aktivierung und dann -Entspannung im Sitz durchgeführt.

 

2. uddiyana bandha - Bauch-Verschluss

Traditionell in leichter Kniebeuge mit auf den Oberschenkeln gestützten Händen wird die Körpermitte durch eine "falsche Einatmung" eines Vakuum-Manövers nach innen oben aktiviert. Einige Yoga-Stile ergänzen die Haltung auch mit konzertierter Bauchmuskel-Aktivität, so dass eine wellenförmige Bewegung quer über den Bauch verläuft, als würden die inneren Organe durchgewalkt oder massiert.

 

3. jalandhara bandha - Kehl-Verschluss

Im aufrechten Sitz wird, während die Hände gegen die Knie schieben, das Kinn Richtung Brustbein abgesenkt und dabei die Hals-Kehl-Muskeln angespannt und beim Anheben des Kopfes wieder gelöst.

 

Alle drei Haupt-bandhas gleichzeitig gesetzt, von Kehle über Bauch bis Wurzel, bildet man den "großen Verschluss", das Maha bandha. 

 

Für Yoga-Laien oder auch auf Fotos ist kaum zu unterscheiden, welches bandha genau abgebildet ist, ob eine bestimmte Kopfhaltung nun auch zum Bauch-bandha gehört und ob nun der Atem in den Posen gestoppt wird oder mit Bewegung fließt. Also auch schon mit der genauen Abgrenzung der Verschluss-Techniken innerhalb des Yoga kann es ohne eigene Erfahrung etwas schwierig werden. 

 

Worin bestehen denn nun konkret Unterschiede und vergleichbare Prozesse gegenüber den Hypopressiv-Techniken?

Abgesenkte Kopfneige, Schneidersitz und Kniebeuge-Position mit Oberschenkel-Stütz kennen wir schließlich ebenfalls im Hypo-Training... das ist dann doch irgendwie alles gleich oder täuscht der Eindruck?

 

Dreh- und Angelpunkt Vakuum-Manöver

Während wir beim mula bandha, dem Wurzel-Verschluss, ein Gleichnis zur Kegel-Übung aus vielen Beckenbodentrainings ziehen können, erinnert vor allem der Bauch-Verschluss an klassische Hypo-Positionen und -aktionen.

Hier wird das Vakuum kreiert, wir wir es als eine der tragenden Säulen der Hypopressiv-Methodik finden.

Ohne die Vakuum-Phase können die meisten der Intentionen und einzelnen Ziele des Druckumkehrprinzips gar nicht umgesetzt werden. Gemeinsam mit den vielen verschiedenen Körperhaltungen, die eine aktive Auf- und Ausrichtung inklusive myofaszialer stretches bezwecken, kommt der eigentliche Wirk-Mechanismus dieser Kombination aus Faszien-, Zwerchfell- und Atemarbeit erst durch das intraabdominale Vakuum zustande.

Auf welche Weise dieses Vakuum kreiert wird, kann sich erheblich unterscheiden, sowohl im Yoga als auch in den Hypopressiv-Lehren.

Hier finden wir also verschiedene Einflüsse und Lehrmeinungen, im Yoga wie in den Hypopressiv-Techniken gleichermaßen.

So ist es verständlicher, wenn im Caufriez-Concept, der Gründer-Schule der Hypopressiv-Techniken, mit der die professionelle, therapeutisch-trainingswissenschaftliche druckregulierende Frauenversorgung ihren Anfang nahm, wenig Bezug zu Yoga-Praktiken herstellt. Zu unterschiedlich sind Aufbau und Umsetzung der Übungen bzw. Maßnahmen und auch Anleitungen des Vakuums.

Die Schulen, die aus diesem Ursprungs-Hypo-Konzept hervorgegangen sind und eigene Lehr-Zweige entwickelt haben (Low Pressure Fitness, Hypopressive), lassen in der historischen Betrachtung meistens die Nähe zu Yoga-Techniken zu. 

Mit einigen Körperhaltungen und insbesondere der Vakuum-Kreation haben wir also zwei Elemente, die augenscheinlich sehr ähnlich sind. Wir kennen Beckenboden- und Yoga-Therapeuten, die mit den traditionellen bandhas arbeiten, um frauengesundheitliche Ziele im Becken- und Bauchraum zu erreichen. Auch sie haben damit große Erfolge, wenn die bandhas in ihr Repertoire aus manueller Therapie und Bewegungs-Empfehlungen eingebunden sind.

Andererseits gibt es zunehmend Fachkräfte aus Therapie und Training, und natürlich auch Betroffene von core-Dysfunktionen, die ihre Yoga-Erfahrung um das Druckmanagement der Hypopressiv-Techniken ergänzen.

 

Je intensiver wir uns mit beiden Lehren befassen und sie auf ihren physischen und feinstofflichen Wirk-Ebenen an uns selbst erfahren, desto besser können wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede wahrnehmen.

Im abschließenden Teil 3 gehen wir nochmal konkreter darauf ein, dass sich die Anerkennung der beiden Traditionslinien > bandha- / Hypopressiv-Techniken nicht ausschließen braucht und dennoch keine dieser bedeutsamen Lehren einfach ein untergeordnetes Anhängsel der jeweils anderen ist.  

  

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